Steigende Kaffeepreise: Warum ist Kaffee jetzt so teuer?

Ein zentrales Thema das nicht nur unsere Partner*innen, sondern auch uns täglich beschäftigt, ist die derzeit angespannte Lage der Kaffeebranche. Wir möchten uns die Zeit nehmen und dieses aktuelle Thema näher beleuchten. Wir starten in unserem ersten Artikel mit der Frage, die alle entlang der Lieferkette beschäftigt: „Warum ist Kaffee jetzt so teuer?“. Die Zusammenhänge sind global verstrickt und sehr komplex. Es gibt einige Antworten auf diese Frage und wir möchten Euch hier Antworten aus unserem Wissenstand und unserer Perspektive geben.


Warum ist Kaffee jetzt so teuer?

Klimawandel
In den letzten 50 Jahren ist der Preis für Rohkaffee 8-mal über die Marke von 2,00 USD/lb gestiegen. Jedes Mal wurden diese Anstiege durch Verknappungen provoziert, die klimatischen Ereignissen geschuldet waren. Die heftigsten beiden Verwerfungen waren der große Frost 1975 in Brasilien[1] und der massive Ausbruch des Kaffeerosts (Hemileia Vastratrix) in Lateinamerika 2008 bis 2013[2]. Aber auch dazwischen gab es immer wieder Probleme mit dem Klima: Ob Dürren in Brasilien 1986[3] und 2014[4], Frost in Brasilien 1994[5] oder El Niño 1997[6] – das Klima sorgt regelmäßig für teure Kaffeejahre. So ist es auch aktuell.

Im Sommer 2021 erlebte Brasilien die schlimmste Frostwelle seit 50 Jahren. Dabei wurden rund 200.000 ha Kaffeepflanzen zerstört.[7] Für die Farmer*innen einmal mehr eine existenzbedrohende Tragödie. In der Kaffeeindustrie brach Nervosität aus. Die tägliche Preisvolatilität stieg bei Kaffees generell auf 10%, bei Brazilian Milds bis auf 17%.[8] Im Vergleich zum Vorjahr 2020 war der Kaffeepreis im Oktober 2021 um 77,9% gestiegen. Die Exporte von Kaffee aus Südamerika sind in diesem Zeitraum um 20,6% geschrumpft.[9] Seitdem bewegen wir uns um die 2,10 USD/lb – immer noch ein Preis, der zuletzt beim Abklingen der des Kaffeerosts Anfang 2012 gezahlt wurde. Mindestens 2-3 Jahre, bis die kaputten Kaffeepflanzen nachgewachsen sind, wird Rohkaffee vermutlich auch auf diesem Preislevel bleiben.

Abbildung: Coffee Futures von 1973 bis 2022. | Quelle: Link

Covid und Lieferketten
Wie die Zeit doch vergeht. Jetzt begleitet uns die Pandemie schon seit zweieinhalb Jahren. Lockdowns, Erkrankungen und Angst vor Ansteckung haben 2020 und 2021 die Ernte von Kaffeekirschen erschwert.[10] Aktuell erscheint das Pandemiegeschehen weniger gefährlich und es ist so etwas wie Routine eingekehrt. Dinge wie FFP2 oder Antigentest gehören längst zur neuen Normalität. Leider sind die globalen Lieferketten allerdings noch nicht im Covid-19-Alltag angekommen. Logistikzentren und Häfen ächzen unter dem Corona-Chaos. Der Preis für einen verschifften Container hat sich zwischen 2020 und 2021 auf ein Allzeithoch verneunfacht.[11] Dramatisch ist die Situation in den Häfen insbesondere, weil leere Container fehlen. Die stapeln sich vor den Häfen der USA und fehlen überall sonst, ganz besonders an asiatischen Knotenpunkten.[12] Einige Häfen, die jahrzehntelang Hauptumschlagsplätze für Kaffee waren, z.B. Paita-Peru[13], können wegen des Containermangels heute gar nicht mehr verschiffen. Zu diesen mittelfristigen Verstopfungen gesellen sich kurzfristige Herausforderungen wie Streiks von Hafenarbeiter*innen in Deutschland[14] und Chile[15], global wechselnde Covid-19 Ausbrüche sowie Stürme auf den Meeren. Gemeinsam sorgen die Faktoren für eine Ausnahmesituation in der globalen Frachtindustrie, die man so aus den letzten 25 Jahren nicht gekannt hat. Dafür ist seit 2022 auch der Ukrainekrieg ausschlaggebend.

Abbildung: Global Supply Chain Pressure Index 1997 bis 2022. | Quelle: Link

Ukrainekrieg
Der Krieg an Europas Grenzen zeigt schmerzvoll einige Schwächen der Union auf. Politiker*innen beschwören zwar öffentlich gerne ein entschiedenes vereintes Handeln, kriegen die notwendigen Maßnahmen aber im komplexen Entscheidungsapparat EU oft nicht hin, weder beim Umgang mit Kriegsverursacher Russland, noch bei geldpolitischen Entscheidungen der EZB. Auch die verbale Aggression nimmt zu. Zwischen Russland, China und den USA sieht die EU schon fast klein aus. Der Euro hat dramatisch abgewertet. Mit der Kontrolle über wichtige globale Ressourcen wie Weizen und Erdöl hat Russland eine Macht, die von Europa unterschätzt wurde. Die Gemeinschaftswährung wurde in die Knie gezwungen und erreichte im Juli 2022 mit 0,9951 USD/EUR ein 20-Jahrestief. So viel länger gibt es den Euro auch noch gar nicht. Da Kooperativen und Exportunternehmen stets in USD bezahlt werden, ist allein über die Abwertung des Euros der Preis für Kaffee von 2021 bis 2022 um rund 20% gestiegen.

Abbildung: Wechselkurs EUR/USD 1994 bis 2022. | Quelle: Link

Aber nicht nur über den Devisenhandel macht der Krieg in der Ukraine Kaffee teurer. Die am Konflikt direkt beteiligten Länder Ukraine, Weißrussland und Russland produzieren große Mengen Düngemittel, welche in der globalen Landwirtschaft durch die aktuellen Kriegshandlungen und Sanktionen fehlen. Die Verknappung führte zu einer massiven Verteuerung von Düngemitteln. Der Preis für Harnstoff (Urea) hat sich seit Beginn der Pandemie 2020 mehr als vervierfacht.[16] Durch die Verteuerung von Düngemitteln sehen sich Farmer*innen weltweit mit höheren Inputkosten konfrontiert – in der Landwirtschaft generell und beim Kaffee im Speziellen.

Abbildung: Anteil von Russland, Ukraine und Weißrussland am globalen Export von Düngemitteln, Rohstoffen und Korn im Jahr 2019. | Quelle: Link

In Vietnam schwenken deshalb einige Kaffeefarmer*innen auf den Anbau von Durian oder Avocado um, weshalb für die Erntesaison 2022/2023 ein Ernteeinbruch von 10% erwartet wird.[17] In Peru, dem Land des Organic-Kaffees, sind 35% der Farmer*innen zertifiziert und nutzen ohnehin eigenen Kompostdünger.[18] Deshalb dürften sie diesen Aspekt der Krise besser verkraften. Nichtsdestotrotz sind Düngemittel wichtiger Preistreiber für landwirtschaftliche Produkte, sprich Nahrungsmittel. Der Hunger war schon vor dem Ukrainekrieg auf dem Vormarsch. Jetzt erleben wir eine dramatische globale Hungerkrise, die aus einem Wirbelsturm von Konflikten, Covid19, Klima und Kosten entspringt.[19] Traditionell sind hier Bewohner*innen der Tropen, wo Kaffee kultiviert wird, besonders gefährdet.

Abbildung: Worldwide FAO Food Price Index von 1961 bis 2022. | Quelle: Link

Nebenher gibt es noch einen innereuropäischen Effekt des Krieges, der die Preise steigen lässt. Viele deutsche Transportunternehmen arbeiten eng mit polnischen Unternehmen zusammen. Diese wiederum beschäftigen zum Großteil osteuropäische Fahrer*innen, wo wiederum ukrainische Männer einen bedeutenden Anteil einnehmen. In einem Interview sagt der deutsche Verkehrsminister Wissing, dass geschätzt 100.000 ukrainische Lkw-Fahrer in den Wehrdienst für den Krieg gegen Russland eingezogen wurden. Das entspricht 37% aller Lastwagenfahrer in Polen. Die verbleibenden haben bei den frequenten Transporten in Deutschland Probleme, denn sie dürfen offiziell als Angehörige von Nicht-EU Staaten nicht ohne weiteres arbeiten. Weiterführend wird auch die Route über die Seidenstraße weniger genutzt, da dort Risiken befürchtet werden.[20] Mit dem Druck in der nationalen Transportindustrie steigen auch hier die Preise.

Inflation
Inflation findet statt, wenn wir mit unserem Geld immer weniger kaufen können, weil die Preise steigen.[21] Nach Jahren der Stabilität hat sich in Europa die Inflation von 0,3% im Dezember 2020 bis 9,6% im Juni 2022 hochgeschraubt.[22] Im Warenkorb sind dabei verschiedene Positionen unterschiedlich stark betroffen. Besonders heftig ist es bei allen Produkten, die mit Kraftstoff, Energie und Gas zu tun haben – und die machen den Großteil aus. Der Weg des Kaffees von der Pflanze bis zur Tasse involviert viele Transportkilometer, die von Menschen für Lohn bewältigt werden. Sei es für Düngemittel im Anbau, den Transport des Kaffees zum Hafen oder die Schiffsreise zum Zielland. Während Kraftstoffe teurer werden, benötigen auch die Menschen, die diese Dienstleistungen erbringen mehr Entlohnung für ihre täglichen Ausgaben, denn auch die steigen. Die Inflation betrifft nicht nur Europa, sondern die ganze Welt.[23] Besonders in Ländern mit weniger Wohlstand haben Preiserhöhungen für Güter des täglichen Bedarfs das Potenzial, humanitäre Katastrophen auszulösen. Hier sind fast alle Ursprungsländer von Kaffee mit abgebildet.

Abbildung: Inflationsrate im Euroraum von Juni 1997 bis Juni 2022. | Quelle: Link

Nochmal Klimawandel
Nach dem Frostereignis in Brasilien gab es diese Idee, dass das Leid der Einen (Brasilien) die Freude der Anderen sein könnte. Die Rekordernten in den industrialisierten Monokulturen Brasiliens hatten für jene Kleinfarmer*innen dieser Welt, die in Subsistenz von Hand erntend im Dschungel wohnten, stets verheerende Auswirkungen gehabt. Denn durch das hohe Angebot Brasiliens war der Kaffeepreis auch für jene gesunken, die aufwendig von Hand produzierten, oftmals schlecht infrastrukturell ausgerüstet und nicht an Straßen angeschlossen. Warum jetzt also nicht mal Richtungswechsel, die Großen verlieren und die Kleinen gewinnen? Dem ist leider nicht so. Klimawandel ist nicht nur in Brasilien das beherrschende Thema im Kaffeeanbau. Extreme Hitze, Kälte und unregelmäßige Niederschläge bedrohen die filigranen Kaffeepflanzen überall. Diese Entwicklung wird Jahr für Jahr dramatischer. In Peru haben die klimatischen Bedingungen 2021/2022 dazu geführt, dass Kaffee knapp wurde. Farmer*innen berichten uns davon, dass die Pflanzen weniger als die Hälfte des üblichen Kaffees produzieren, Kooperativen finden kaum genug Kaffee um ihre Verträge zu bedienen.[24] Gepaart mit den dramatisch gestiegenen Lebenskosten ist das Jahr 2022 also für die weltweiten Kaffeefarmer*innen trotz des hohen Weltmarktpreises madig. Schon wieder.

Erfahre in unserem zweiten Artikel mehr dazu, wer an der Krise verdient.


Quellen:

[1] https://www.washingtonpost.com/archive/business/1986/01/15/big-rise-predicted-in-coffee-prices/7c3a6c6c-755a-4afc-86e0-80a93953444a/
[2] https://link.springer.com/article/10.1007/s12571-015-0446-9#:~:text=Coffee%20rust%20is%20a%20leaf,Peru%20and%20Ecuador%20in%202013
[3] https://www.washingtonpost.com/archive/business/1986/01/15/big-rise-predicted-in-coffee-prices/7c3a6c6c-755a-4afc-86e0-80a93953444a/
[4] https://www.theguardian.com/world/2014/feb/25/brazil-drought-threatens-coffee-crops#:~:text=The%20report%20predicted%20coffee%20supplies,futures%20fell%20by%20nearly%2025%25
[5] https://www.latimes.com/archives/la-xpm-1994-07-12-fi-14722-story.html
[6] https://ageconsearch.umn.edu/record/20908?ln=en
[7] https://www.gcrmag.com/brazil-frost/#:~:text=Brazil’s%202022%20harvest%20is%20expected,wilting%20trees%20on%20his%20farm
[8] https://www.ico.org/documents/cy2020-21/cmr-0721-e.pdf
[9] https://www.ico.org/documents/cy2021-22/cmr-1121-e.pdf
[10] https://www.farmersweekly.co.za/agri-news/world/covid-19-delays-2020-coffee-harvest-as-prices-weaken/
[11] https://fbx.freightos.com/
[12] https://ihsmarkit.com/research-analysis/container-shipping-situation-worsens-due-to-congestion-delays.html
[13] https://camcafeperu.com.pe/ES/articulo.php?id=119
[14] https://www.tagesschau.de/wirtschaft/unternehmen/warnstreik-hafenarbeiter-container-stau-hamburger-hafen-101.html
[15] https://klog.co/comunicados/atrasos-en-puertos-de-valparaiso-y-san-antonio-por-paro-de-camioneros
[16] https://blogs.worldbank.org/opendata/fertilizer-prices-expected-remain-higher-longer
[17] https://www.bloomberg.com/news/articles/2022-05-04/avocados-and-durians-help-coffee-farmers-cope-with-surging-costs
[18] https://cafelab.pe/crisis-alimentaria-como-la-escasez-de-fertilizantes-impacta-en-el-cafe-peruano/
[19] https://wnews247.com/2022/06/16/the-spike-in-global-hunger/
[20] https://www.rnd.de/politik/ukraine-fluechtlinge-volker-wissing-gegen-obergrenze-AXMIJF2C4JD55GNLSFO76NOU5A.html
[21] https://www.ecb.europa.eu/ecb/educational/hicp/html/index.de.html
[22] https://de.statista.com/statistik/daten/studie/252059/umfrage/inflationsrate-in-der-eu-nach-monaten/#:~:text=Im%20Juni%202022%20steigt%20die,Inflationsrate%20seit%20Bestehen%20der%20EU
[23] https://www.ft.com/content/088d3368-bb8b-4ff3-9df7-a7680d4d81b2
[24] https://juntadelcafe.org.pe/peru-1200-millones-de-dolares-sumarian-exportaciones-de-cafe-durante-2022/

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