Monzón – Coca und Kaffee in Peru

Coca und wilde Zeiten in Monzón.

In unserer Importperiode 2019/2020 haben wir es endlich geschafft, Kaffee von unseren Freunden in Monzón (Peru) zu importieren. Der Monzón-Distrikt erstreckt sich über 1.500 km² entlang des Monzón-Flusses. In den unzugänglichen, steilen Tälern werden seit mehr als 100 Jahren fast ausschließlich Cocablätter produziert. In vielen präkolumbianischen Kulturen war das Blatt heilig, die Inkas nutzten es sogar als Zahlungsmittel. Noch heute hat das Cocablatt eine wichtige Bedeutung bei andinen Kulturen. Selbst weniger traditionsbewusste Stadtbewohner schätzen die Wirkung gegen die Höhenkrankheit, hierbei wird das Blatt gekaut oder als Tee zubereitet. Aber die riesigen Coca-Monokulturen im Monzón hatten mit dem kulturellen Erbe nichts zu tun.

Anfang des 20. Jahrhunderts waren die Tonnen an Cocablättern für chinesische Großhändler bestimmt, auch das aufstrebende Unternehmen Coca-Cola sorgte für eine steigende Nachfrage. Doch spätestens seit dem Beginn des weltweiten Kokain-Booms in den 1970ern ging es im Monzón dann nur noch um eins: die Herstellung von Cocablättern für die Weiterverarbeitung zu Kokain für internationale Schattenmärkte. Für die Terroristen des Leuchtenden Pfades war das abgeschiedene Tal ein Rückzugsort. Die politischen Terroristen wurden später zu Narcoterroristen mit engen Verbindungen zu kolumbianischen und mexikanischen Kartellen. Bei den jahrelangen Auseinandersetzungen zwischen Militär und Terroristen war die Region besonders betroffen. In dem Konflikt kam es bis tief in die 2000er zu Gräueltaten und schweren Menschrechtsverletzungen. Erst im Jahr 2012, nach über 40 Jahren Wildem Westen im Monzón, wurde die ganz eigene Narco-Welt jäh beendet.

Im Jahr 2012 rissen Soldaten des peruanischen Militärs über Wochen hinweg im ganzen Tal über 600 ha Cocapflanzen aus. Die Bewohner standen von einem Tag auf den nächsten vor dem Nichts und skandierten: „Heute reißt ihr unser Coca aus, aber was sollen wir morgen essen?“ Seitdem unterstützen die peruanische Regierung, Vereinte Nationen, verschiedene NGOs und Entwicklungsinitiativen mit viel Geld die Entwicklung in der Region. Den Bewohnern des schroffen Tales soll eine Alternative heraus aus der Drogenherstellung gegeben werden.

Doch wenige Versprechen zur nachhaltigen Entwicklung ohne Coca können gehalten werden. Man hat hier seit vielen Generationen nichts anderes gemacht als Coca zu produzieren. Jetzt müssen sich die Farmer in den internationalen Märkten von Kaffee, Kakao und Sachainchik zurechtfinden. Hier sind die Preise viel zu niedrig und decken oft nicht einmal die Produktionskosten der Bauern. Dazu kommen nachteilhafte Zahlungsbedingungen, Bürokratie und die allgegenwärtige Gefahr des Klimawandels. Nach 8 Jahren „alternativer Entwicklung“ sind die Farmer unzufrieden mit den angebotenen Alternativen. Viele Entwicklungsgelder sind in korrupten Machenschaften verschwunden, Armut und Mangelernährung sind weit verbreitet. Vielen fehlt der Glaube an den Fortschritt mit neuen Feldfrüchten. Junge Leute ziehen auf der Suche nach besseren Möglichkeiten in die Stadt.

Yordy – ein mutiger Kaffeefarmer mit Hoffnung.

Yordy Baylon ist 17, als die Militärs 2012 mit Helikoptern landen, um alles Coca zu vernichten. Nach der „Erradicación“ (dt. Ausmerzung), wie die Bewohner die große Zerstörung der Cocafelder 2012 nur nennen, hat er sich voll dem Kaffee gewidmet. Dass er heute Spezialitätenkaffee herstellt, ist ein großer Verdienst. Die Böden, auf denen früher Cocasträucher standen, sind nach der Ausmerzung verarmt und für Kaffee unbrauchbar. Deshalb hat Yordy auf seinem ehemaligen Cocafeld Guava-Bäume angepflanzt. Diese Bäume wachsen schnell und werfen schon nach wenigen Jahren große Mengen Laub und Früchte ab. An der Oberfläche verrottet die Biomasse und spendet dem Boden wertvolle Nährstoffe. So konnte Yordy schon 2016 Kaffee pflanzen, den er 2019 das zweite Mal erntete.

Wir haben Yordy 2017 auf einem Kaffeefestival in Lima kennengelernt. Seitdem sind wir in engem Kontakt. Yordy ist eine inspirierende Persönlichkeit und viel mehr als „nur“ ein Kaffeefarmer. Er geht neben der harten Arbeit auf der Kaffeefinca gleich mehreren ambitionierten Aktivitäten nach. So führt er gemeinsam mit seinen Eltern die Cafetería „Aromas del Monzón“ im Zentrum von Monzón Stadt. Außerdem hat er dieses Jahr mit anderen Kaffeefarmern eine kleine Assoziation gegründet, die er anführt. Die Gruppe will gemeinsam Kaffee entwickeln und vermarkten. Dabei setzen sie auf Direct Trade: Befreundete Cafés in Lima zählen ebenso zu den Kunden wie wir von cumpa. So können die Farmer kollegiale Beziehungen entwickeln und unabhängig vom volatilen Börsenpreis verhandeln.

Auf dem Mittelpunkt des Stadtplatzes, gleich vor der Tür der Cafetería „Aromas del Monzón“, ragt noch ein mehrere Meter hohes Cocablatt-Monument auf einer Zementempore in die Höhe. Gegenüber am Platz ist das Gebäude der Stadtverwaltung. Das Haus von Yordy liegt auch im Zentrum, zwischen Cafeteria und Stadtverwaltung. Er teilt sich ein Zimmer mit seinen Eltern und seiner kleinen Schwester. Zwischen Drogenkriminalität, Korruption, Klimawandel und erbarmungslosen Rohstoffmärkten gibt Yordy dem berüchtigten Monzón ein neues Gesicht. Und er dient einer jungen Generation Kaffeebauern, die mit dem riskanten Coca-Business nichts zu tun haben wollen, als Vorbild.

Als ich Yordy frage, ob er den Lesern im Blogeintrag noch etwas sagen will, antwortet er: „Na klar, mein Freund. Kaffee hat mein Leben Stück für Stück verändert. Wie du weißt, suchen wir als Geschäftsmänner und Landwirte immer nach Optionen. Wir versuchen, in kleinen Schritten zu wachsen. Ich will, dass der Kaffee aus Monzón bekannt wird. Besonders, weil wir so viele Jahre Coca kultiviert haben. Wir halten in solchen schwierigen Zeiten durch. Was uns begeistert, macht uns stark. Danke, dass ihr euch für diesen Kaffee entschieden habt, es ist ein Kaffee mit Geschichte. Guten Appetit!“

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