Engineers Without Borders (EWB): Hydroélectricité Idjwi

Johann Kraft ist seit 2016 bei Engineers Without Borders (EWB) Karlsruhe e.V., und war von 2019-2022 Projektleiter des Projektes „Hydroélectricité Idjwi“. Wir kennen uns seit dem Studium in Karlsruhe 2018 und stehen seitdem in Kontakt. Anfang 2024 haben wir mit ihm ein Interview geführt, in dem er nach seinem Besuch auf Idjwi Ende 2023 vom EWB Projekt auf Idjwi berichtet.

Wie begann das EWB Kleinwasserkraft Projekt auf Idjwi?

Engineers Without Borders (EWB) bezeichnet eine Reihe an Nichtregierungsorganisationen, die weltweit mit technischem Wissen Entwicklungsprojekte für benachteiligte Communities betreiben. Auch der EWB Verein am Karlsruher KIT realisiert gemeinnützige Projekte auf der ganzen Welt.  Dabei war der Verein unter anderem immer wieder in Zentralafrika aktiv, z.B. bei einem Solarprojekt in Uganda für eine Schule. In 2013 haben wir dann mit der Entwicklung des Projektes „Hydroélectricité Idjwi“ begonnen.

Der Vater von einem der Projektinitiatoren (Jorrit) arbeitete schon viele Jahre im Ostkongo für Entwicklungsorganisationen. So wurde der Kontakt zu einem unserer Projektpartner hergestellt. Die Organisation ECP betreibt Schulen im Ostkongo und hatte Interesse an einem dezentralen Elektrifizierungsprojekt. Der ländliche Teil im Ostkongo ist zum Großteil nicht elektrifiziert. Wir interessierten uns für die Idee und unternahmen eine erste Erkundungsreise 2017, bei der ein Team in den Ostkongo gereist ist und das Projekt kennengelernt hat.

Von Beginn an wollten wir ein Kleinwasserkraftwerk realisieren. Das hatte unserer Meinung nach das größte Potenzial und ein paar Nachhaltigkeitsprobleme, die Solarenergie mit sich bringt, würden hier nicht auftreten. Der ideale Standort war Idjwi. Das Projekt war zwar schon 2013 von einer lokalen Organisation (PROLASA) gestartet worden, war aber aufgrund technischer und finanzieller Schwierigkeiten in den 4 Jahren bis zu unserem Besuch noch nicht fertiggestellt worden. Wir fanden bei der ersten EWB-Reise 2017 also schon ein kleines Wasserkraftwerk und ein Industriecampus vor, die aber mehr oder weniger brach lagen. Es waren kleine, günstig gelegene Gebäude. Das Kraftwerk funktionierte nicht richtig.

EWB beschloss, dass dieser Ort für die Projektrealisierung am günstigsten war. Idjwi ist sehr niederschlagsreich und bergig, es gibt viele kleine Bäche. Wir erkannten, dass man im Idealfall mit Kleinwasserkraft viele kleine Betriebe dezentral unterstützen könnte, von der Holzwerkstatt bis zu elektrisch betriebenen Mühlen oder eben auch Infrastruktur für die Verarbeitung von Kaffee. Agrarverarbeitung stand von Anfang an im Fokus unseres Projektes. Wir begannen, die Probleme zu analysieren, mit denen die Menschen auf Idjwi konfrontiert waren.

Welche Problematik adressiert das Projekt?

Die Problemlage im Ostkongo ist komplex und vielfältig. Ohne Stromversorgung ist die Entwicklung der lokalen Bevölkerung, der Spielraum für Entwicklung, extrem eingeschränkt. Das betrifft die Entwicklung von Haushalten z.B. bei der Beleuchtung oder bei elektronischen Geräte. Aber auch die wirtschaftliche Entwicklung in den Communities ist durch fehlenden Strom enorm schwierig. Für uns Europäer*innen völlig normal wirkende wirtschaftliche Ideen können ohne Strom nicht umgesetzt werden. Anstatt dessen müssen unverarbeitete Rohstoffe exportiert und dann verarbeitet wieder importiert werden. Der notwendige Strom muss teuer mit Diesel erzeugt werden.

Auf der Insel Idjwi im Kivusee ist diese Problemsituation besonders akut. Die lokale Wertschöpfung ist zu niedrig, es gibt zu wenig Arbeit. Für die Stromerzeugung musste vor dem Projekt Diesel vom Festland auf Booten auf die Insel gebracht werden. Das ist nicht nur gefährlich, sondern auch teuer.

Auch bevor es Strom gab und bevor Kaffee lokal verarbeitet werden konnte, war die Kooperative und ihr Kaffee wichtig für den Strukturwandel auf Idjwi. Kaffee schaffte Arbeitsplätze. Dass jetzt die Möglichkeit besteht, Kaffee lokal zu verarbeiten und dabei nicht auf Diesel angewiesen zu sein, ist eine tolle Sache. Mit Dieselgeneratoren ist das zu teuer und es besteht auch die Abhängigkeit vom Dieselpreis. Die Wirtschaftlichkeit der Arbeitsprozesse schwankt je nach dem Tagespreis für Diesel. Ein gewaltiges Problem. Betrachtet man das Ganze von weiter weg, so geht beim Bezug von Diesel schwer erarbeitetes Geld raus aus dem Land, während bei Wasserkraft die Wertschöpfung bei der lokalen Bevölkerung bleibt. Bei Kleinwasserkraft ist dieser Effekt noch stärker. Der Sinn von erneuerbaren Energien ist, keine laufenden Kosten zu haben. Eine Startinvestition soll sich durch Ersparnisse über die Jahre tragen und dann ohne übermäßige Instandhaltungskosten Strom generieren. Bei Solarenergie geht leider ein riesiger Anteil der Startinvestition in Form von Hochtechnologie nach China oder Europa. Der Wert wird in Europa oder China geschöpft. Bei Kleinwasserkraft ist das Verhältnis anders. Vieles geschieht in Handarbeit. Wir waren bei unserem Projekt bei 40-50% lokaler Wertschöpfung, fast die Hälfte der Leistungen konnte auf Idjwi und in der Kivu-Region erbracht werden! Das ist besser als Solar und viel, viel besser als Diesel. So konnte ein konstanter und niedriger Strompreis erreicht werden.

So wie das Kraftwerk jetzt dasteht, können die Betriebe auf dem Industriecampus mit ca. 15-20 ct pro kWh arbeiten. Vorher, als die Menschen noch auf den im Boot angeschifften Diesel angewiesen waren, lagen die Kosten bei 50ct pro kWh. Bei den heutigen Dieselpreisen betragen die Kosten 80ct pro kWh. Der Industriecampus wurde lange mit Diesel betrieben. Als die Dieselpreise dann stiegen, ist auch die letzte Wertschöpfung, auch das letzte verarbeitende Gewerbe noch von Idjwi abgewandert ist. Bei den aktuellen Dieselpreisen ergibt lokale Verarbeitung auf der Insel erst durch das Kleinwasserkraftwerk Sinn. Für die Kooperative selbst reduziert das die Verarbeitungskosten, was gute Nachrichten mit sich bringt: Bessere Preise für Farmer*innen, Reinvestition in Projekte. Das Geld landet nicht mehr auf den Konten von Ölmultis.

Wie kann Direct Trade Rohkaffee den Menschen auf Idjwi helfen? Was ist deine persönliche Meinung dazu?

Direkte Handelsbeziehungen haben auf eigenen Ebenen Vorteile. Im Direct Trade kommt mehr vor Ort an. Bei Großhändlern werden andere Preise erzielt. Dort ist Qualität nicht mehr so wichtig und die Ketten sind lang und intransparent. Ihr als Direct Trade Händler seid an anderen Qualitäten interessiert. Ihr reduziert die Menge, erhöht die Qualität und erhöht die Verdienstmöglichkeiten damit. Dadurch, dass lokal bessere Qualität erschaffen wird, dass mehr Arbeit reingesteckt wird, mehr Wissen reingesteckt wird. Das fördert lokale Wertschöpfung. Das Produkt ist ähnlich wie vorher, aber es enthält jetzt mehr Arbeit, mehr Learning, mehr Know-How, mehr Verdienst. Dadurch entsteht eine Riesen Chance.

Auch abseits von Kaffee gibt es bei Agrarexporten häufig das Problem, dass die Qualität nicht passt. Dann werden viele Waren unterm Preis verkauft. Mal passt die Qualität nicht, mal passen die Absatzwege nicht. Oder es fehlt der letzte Schritt für die tolle Qualität. Dann wird vermischt. Dafür sind Direct Trade Connections super wertvoll. Es taucht für die Produzierenden jemand auf, der sich interessiert und den Input liefert. Ich glaube, für die Region ist das eine riesige Chance. SCPNCK hat da schon viel geschafft. Die Mitglieder haben große Pläne und Motivation, aber sie sind davon abhängig, eine Qualität zu schaffen, die diese Preise schafft. Das wird durch den Strom und eure Connections möglich.

Ich glaube, bei Qualität macht SCPNCK auch abseits von diesem Wasserkraftwerk sehr viel. Der CEO von SCPNCK, Gilbert, ist umtriebig: Coffee Lab aufbauen, Trainings, Besuche auf Festivals in den Konsumländern, … da läuft viel völlig abseits von Stromversorgung. Aber der Strom ist ein wichtiges Puzzlestück von diesem Fortschritt. Abseits von dem Faktischen, Sichtbaren, sind auch die Connections super wichtig! Man lernt voneinander, man weiß übereinander, Menschen treten miteinander in Kontakt. Im Herbst 2017 haben wir bei unserem Besuch das erste Mal Kaffee von Idjwi im Gepäck mitgenommen. Wir haben als Team jeder 1kg Rohkaffee im Fluggepäck mitgenommen. Wir haben den Rohkaffee bei Tostino rösten lassen, verpackt und an alle Projektunterstützer*innen als Weihnachtsgeschenk geschickt. So hatte man was in der Hand, das den Erfolg des Projektes zeigte. Später, 2019, habe ich dann Lennart von This Side Up auch in Niederlanden auf der WOC 2019 getroffen, zusammen mit Gilbert. Wir waren beim Producer Meet Up von This Side Up, wo Produzierende und Röster*innen zusammenkommen. Gemeinsam die Workshops und die Kaffeemesse zu erleben, war super cool.

Es ist für mich auch jetzt, wo ich nicht mehr bei EWB aktiv bin, immer klasse zu sehen, was aus so einem eher zufälligem Aufeinandertreffen im Dorf geworden ist. 7 Jahre später importieren Leute richtig diesen Kaffee und ziehen etwas auf. Das zu sehen ist für mich persönlich faszinierend und motivierend.

Wie geht es weiter bei dir?

Der Ausbau des Wasserkraftwerkes ist nun offiziell abgeschlossen. Es erzeugt ca. 50 kW, voraussichtlich bald sogar bis zu 80 kW. Nun wird es noch ein, zwei Jahre Monitoring Tätigkeiten geben, aber allgemein ist es bei EWB wichtig, ein Projekt abzuschließen und die Begünstigten ermächtigt dann auch wieder loszulassen. Ich selbst habe mein Masterstudium gerade abgeschlossen und betreibe jetzt weiter Forschung zu Stromversorgung im Globalen Süden. Ich möchte mich auch in der Nachbereitungsphase von EWB wieder engagieren. Es kann sein, dass ich aus einer privaten Motivation heraus im April 2024 wieder auf der Insel Idjwi bin. Meine Freundin arbeitet in Berlin in der Forschung im Bereich Biologie / Medizin. Sie forscht unter anderem auch auf Idjwi zu Malaria. Da gibt es also viele Überschneidungen. Die Entwicklungsarbeit und Idjwi werden mich weiter begleiten.

Alles Gute auf deinem weiteren Weg Johann!

Ein besonderer Dank für die wertvollen Einblicke und die Fotos gilt an dieser Stelle Johann Kraft (EWB Karlsruhe, Projektleiter Hydroélectricité Idjwi 2019-2022) und Mirko Sowa (EWB Karlsruhe, Projektleiter Hydroélectricité Idjwi 2022-heute) Gewinne tieferen Einblick in das Projekt HIER

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