In Zentralperu befindet sich ein berüchtiges Tal, benannt nach dem gleichnamigen Fluss, der durch das steile Tal strömt: „Monzón“. Die Geografie des Tales hat seit jeher die Geschichte seiner Bewohner*innen bestimmt. Die Berge sind bei den Quellbächen und Oberflüssen des Monzón ganz besonders steil und unzugänglich.
Diese natürliche Festungsformation der Berge hat Menschen schon immer Schutz geboten. So lebten hier die Kulturen der Yarowilcas und Cholones die meiste Zeit unabhängig und konnten den Inkas widerstehen, obwohl sie sich im Zentrum des Imperiums befanden. Heute stoßen Farmer*innen immer wieder auf Petroglyphen und Artefakte dieser vergangenen Kulturen. Auch die spanischen Militärs und Franziskanermissionen fanden bis zur Unabhängigkeit Perus 1824 kaum Zugang ins Tal.
Eine Pflanze wurde von allen Ethnien in Monzón kultiviert: Der Kokastrauch. Das heilige Blatt hatte gleichermaßen spirituelle wie therapeutische Bedeutung. Im Alltag kaute man es, um bei der täglichen Arbeit in den Höhenlagen gegen Hunger und Kälte anzukommen. Später, im Rauschgiftboom der 1970er, wurde die Produktion intensiviert und führte bis tief in die 2000er zu schweren Konflikten. Seit 2012 ist Frieden in Monzón.
In diesem Jahr kam das peruanische Militär mit US-Unterstützung mit Helikoptern ins Tal, um großflächig Kokafelder zu zerstören. Seither strebt die Politik eine neue Zukunft für Monzón an. Mit zahlreichen durchfinanzierten Entwicklungsprojekten soll der Übergang zur legalen Wirtschaft funktionieren. Im Fokus stehen der Anbau von Kaffee und Kakao sowie Fischzucht und Tourismus.
Für die Menschen hat sich seitdem Vieles geändert. Es ist friedlich geworden. Aber die neue, legale Marktwirtschaft funktioniert noch nicht reibungslos. Weiterhin sind die Leute arm, haben in ihrer Abgelegenheit zu oft keinen Zugang zu Krankenhäusern, Elektrizität, Internet oder Telefonnetz. Die Wege der Menschen – und damit auch des Kaffees – sind besonders weit und führen stundenlang über steile Berghänge hinab ins Tal. Zeitpunkt und Ort für die Übergabe des Kaffee gegen Geld wird bei jedem einzelnen Kaffee zu einer komplizierteren Angelegenheit. Der Kokaanbau ist auch heute für die meisten Menschen schlicht Gewohnheit, sie haben für zwei Generationen nichts anderes gemacht. Vorher, vor etwas mehr als hundert Jahren, gab es schonmal Kaffee. Seitdem hat sich in der Kaffeeproduktion und -vermarktung Vieles geändert, leider nicht alles zum Besseren.
Im Jahr 2017 war Lukas im Rahmen seines Praxissemesters mit der Kooperative Aproeco beim Kaffeefestival „Expocafé“ in Lima. Dort begegnete er Yordy, einem jungen Farmer, der mit der Antidrogenorganisation Devida einen Stand betreuen durfte. Sie verstanden sich gut, es folgten die ersten Besuche in Monzón, 2018 auch mit Daniel. Man fühlt sich klein, wenn man die stundenlangen Wanderungen zu den Kaffeefarmer*innen auf sich nimmt.
Oftmals bewältigt man mehrere hundert Höhenmeter, über Stock und Stein, vorbei an Kokafeldern, Kaffee, Wald und gerodeten Flächen. Jeder Schritt muss bedacht gewählt werden. Das Gelände lädt geradezu ein, sich zu verletzen, der Weg bis zu einem Krankenhaus ist weit. Die meisten Farmer*innen haben weder Telefonsignal noch Internet. Bei den Wanderungen unterhalten wir uns mit unseren Freund*innen, die uns eingeladen haben. Sie sind außergewöhnliche und inspirierende Persönlichkeiten. Wir hören Geschichten von der Gesetzlosigkeit in den Zeiten der Narcos, der Gewalt, den Terroristen. Die Geschehnisse sind noch jung, viele Wunden wohl noch lange nicht verheilt. Die Menschen genießen heute den neuen Frieden und träumen von einer erfolgreichen Zukunft, den schwierigen Umständen zum Trotz.
Seit unserer ersten Begegnung sind wir von der Idee fasziniert, uns gemeinsam mit den Farmer*innen in Monzón zu entwickeln. Es ist uns ein Privileg und zugleich eine große Aufgabe. Die Operationen hinter den Kaffees sind komplexer als anderswo. Den Kaffee nach Lima zu bringen ist ein bisschen so wie eine Evakuierung aus einem Krisengebiet. Am Ende wird aber die mühsame Arbeit mit exklusiven Microlots belohnt, und mit der Gewissheit, dass diese Kostbarkeiten Menschen in Monzón, unsere Freund*innen, von Kaffee statt Koka überzeugen können. Jahr für Jahr.
In Kooperation mit der peruanischen Antidrogenorganisation DEVIDA PERÚ, der lokalen Cooperativa Agraria Cafetalera Divisoria Ltda und dem Projekt „Alianza Café“ fördern wir seit 2018 die Produktion von Spezialitätenkaffee im Tal durch Vermarktung von Microlots mitsamt der Geschichte. Durch die Beziehungen steigern wir das Vertrauen der Menschen in eine treue Kaffeekundschaft. Wir pflegen zu verschiedenen Farmer*innen und ihren Familien in Monzón Freundschaften, per Telefon oder bei Besuchen. Schon längst sind wir Teil der unglaublichen Geschichte des Monzón-Tals geworden.