Coffea Racemosa

– eine winzige, leckere und neue Kaffeedimension
Über 130 Coffea-Spezies sind bislang bekannt. Sie wachsen wild in Subsahara-Afrika, auf Madagaskar, den Maskarenen und bis auf den indischen Subkontinent. Diese botanische Vielfalt ist wie ein Periodensystem des Kaffees: Jede mögliche Tasse lässt sich auf eine dieser Arten zurückführen. Doch Teile dieses Systems verschwinden – ausgelöscht durch den Menschen und den Klimawandel.
Letzterer zwingt uns, Kaffee neu zu denken. Während die Industrie nach kurzfristigen Lösungen sucht und mit neuen Arabica-Hybriden um Profitabilität ringt, entstehen die wirklich spannenden Ideen in Botanischen Gärten, Universitäten und in kleinen, engagierten Netzwerken.
Forschende wie die Teams um Aron Davis (Royal Botanic Gardens) und Piet Stoffelen (Plantentuin Meise) lenken den Blick auf Arten, die Zukunft haben könnten: Coffea racemosa etwa. Die „traubenartige“ Spezies wächst entlang der heißen, sandigen Küsten Mosambiks, reift in nur drei Monaten und enthält außergewöhnlich wenig Koffein. Ihre winzigen Bohnen (Screen 7–8) machen sie für industrielle Verarbeitung ungeeignet, aber für Forschung und Geschmack eine Entdeckung.




Während wir gerade mit Miyoisi in Mosambik eine neue Partnerschaft aufbauen, haben wir ein besonderes Mini-Lot aus Brasilien in die Hände bekommen: 1 kg Racemosa von unseren Partnern BMP Farmers in Espírito Santo. Die Pflanzen stammen ursprünglich aus Mosambik und wurden vom Kaffeeforscher Prof. Fabio Partelli im Zuge eines Forschungsprojekts nach Brasilien gebracht. Zusammen mit Expert*innen haben wir diesen außergewöhnlichen Kaffee geröstet, verkostet und genau unter die Lupe genommen und damit einen kleinen Vorgeschmack darauf gegeben, was die Zukunft des Kaffees bereithalten könnte.
Racemosa-Verkoster*innen:
Weily und Ueli, Roestlabor GmbH, Schweiz
Gloria Pedroza, NKG Quality, Schweiz
Matt Winton und Sierra Yeo, Rose Coffee Roasters, Schweiz
Felix Hohlmann, Philipp Schallberger, Davis Wistorf, Kaffeemacher, Schweiz
Paul Lidy und Lukas Harbig, cumpa GmbH
Die erste Herausforderung war schon die Röstung. Mit minimaler Datenlage und maximalem Risiko angesichts der winzigen Samen haben wir zunächst mit Arabica var. moka einige Proberöstungen gemacht, bevor wir den ersten Versuch mit unserer Racemosa starteten.
Auf der Ikawa Pro100X war die erste Röstung über 100 g leicht unterentwickelt, was sich bei den Verkostungen jedoch als gar nicht so schlecht herausstellte.
Bohnenbild: winzig, aber erstaunlich gleichmäßig. Die gelbliche Farbe und die offene Zellstruktur deuten auf eine verlängerte Fermentation hin.



Eine Analyse mit dem Lighttells CA-700 ergab einen Koffeingehalt von 49,1 mg/dl (≈ 491 mg/L) und einen Chlorogensäuregehalt von 92,2 mg/dl (≈ 922 mg/L), gemessen sechs Minuten nach Aufguss während einer Cupping-Session. Diese Werte liegen im Bereich heller Arabica- oder racemosa-typischer Aufgüsse und bestätigen das charakteristische chemische Profil von Coffea racemosa: moderater Koffeingehalt bei gleichzeitig hohem Anteil an Chlorogensäuren. Die sehr helle, leicht underdevelopte Röstung erklärt den hohen CGA-Wert, da bei niedrigerer thermischer Belastung kaum Zersetzung stattfindet. Das Verhältnis von CGA zu Koffein (≈ 1,9) unterstreicht den milden, frischen Charakter der Probe mit potenziell ausgeprägter Säure und geringer Bitterkeit. Die Messung ist für Vergleiche zwischen Spezies oder Röstgraden aussagekräftig, auch wenn absolute Werte aufgrund der vereinfachten Analysemethode nur orientierend sind. Insgesamt deutet das Ergebnis auf eine chemisch lebendige, sensorisch differenzierte Probe hin, die das Potenzial von Coffea racemosa als eigenständige Spezialitätenkaffee-Spezies bestätigt.


Auch am Abend bei NKG Quality mit Gloria bestätigten sich die Werte nahezu unverändert.
Das erste Cupping fand fünf Tage nach der Röstung bei Roestlabor statt. Hinter dem leicht erdnussig-erbsigen Geschmack der unterentwickelten Röstung zeigten sich Noten von Traube, süß-saftigem Körper und würzig-herbal-floralen Aromen, welcher an Koriandersamen, Duftgeranie und Zitronengras erinnert. Dieser Kaffee ist anders als alles, was wir bisher probiert haben und schmeckt nach Potenzial.
Nachdem die erste Röstung leicht unterentwickelt war, rösteten wir bei Rose Coffee Roasters mit Matt zwei weitere Chargen à 50 g. Eine wurde eine „italienische Röstung“ mit sichtbaren Ölen, die andere „Medium to Dark“. Während die italienische Variante sensorisch kaum noch Nuancen zeigte, offenbarte die mittlere Röstung erneut die saftig-würzigen Eigenschaften von Racemosa.
Der Kaffee stellt uns weiterhin vor viele Herausforderungen. 800 g Racemosa bleiben reserviert für besondere Kaffee-Events und für den Vergleich mit Racemosa aus Mosambik Anfang 2026.
Bis dahin gilt: Verkostungen stets im Sinne der Forschung. Das Teilen dieser Erfahrung und das Erheben von Daten sind unabdingbar, wenn man Racemosa mit uns verkosten möchte.













