Robusta – oft als grobes Pendant zu Arabica abgetan – ist weniger ein botanischer Begriff als vielmehr eine koloniale Erfindung. Entwickelt in Forschungsstationen des frühen 20. Jahrhunderts, wurde die Sorte systematisch über imperiale Strukturen verbreitet.
In Brasilien jedoch schlug der Conilon einen anderen Weg ein. Genetisch in Zentralafrika verwurzelt, entwickelte er sich dort unabhängig – jenseits des kolonialen Hybridsystems. Heute baut Brasilien nicht nur Coffea canephora an – das Land definiert die Sorte neu: durch Spitzenforschung, wachsende Anerkennung im Bereich Spezialitätenkaffee und eine zunehmend starke kulturelle Identität.
Als der Kaffeerost Ende des 19. Jahrhunderts die Arabica-Bestände verwüstete, wandten sich europäische Kolonisator*innen auf der Suche nach Alternativen nach Zentral- und Westafrika. Dort sammelten sie wilde C. canephora-Pflanzen und hybridisierten sie rasch in kolonialen Forschungszentren.
Innerhalb von zwei Jahrzehnten wurden diese Linien unter dem Namen Robusta weltweit verbreitet und in koloniale Kaffeesysteme in Asien und Afrika eingebettet.
Doch die Geschichte, die über Conilon erzählt wurde, begann ein anderes Muster zu zeigen. In seiner Dissertation zeigte P. Cubry, dass Conilon-Kaffee genetisch zur afrikanischen SG1-Gruppe gehört und eng mit Populationen aus Luki (Demokratische Republik Kongo) und Niaouli (Togo) verwandt ist. Die geringe genetische Vielfalt und die deutliche genetische Gruppierung sind starke Hinweise auf eine direkte Einführung aus West-Zentralafrika – ohne Vermischung oder Hybridisierung. Das stützt die Annahme eines Ursprungs aus einer engen genetischen Basis.
Was Historiker*innen bestätigen können, ist, dass Conilon im Jahr 1912 von Gouverneur Monteiro nach Espírito Santo eingeführt wurde – vermutlich aus dem botanischen Garten von Libreville in Gabun. Gepflanzt wurde er von europäischen Migrant*innen, die nach dem Verbot der Sklaverei in Brasilien im Jahr 1888 die versklavte Arbeitskraft ersetzten. So entwickelte sich Conilon unabhängig von den kolonialen Hybriden.
Sein Name leitet sich von der Kwilu-Region im Kongo ab und prägt Conilons eigenständige genetische und kulturelle Identität innerhalb der Coffea-canephora-Vielfalt in Brasilien.
Das Zentrum für Exzellenzforschung in Conilon-Kaffee an der UFES hat verschiedene Coffea canephora-Sorten mit besonderen Eigenschaften entwickelt – darunter eine verbesserte Kältetoleranz, ein hoher Koffeingehalt und außergewöhnliche Ertragsleistung. Diese Ergebnisse wurden in wissenschaftlichen Publikationen und auf dem Symposium der Conilon-Produzent*innen vorgestellt.
Der erfolgreiche Züchtungserfolg solch gezielter Merkmale unterstreicht die enorme Kompetenz und das gestalterische Potenzial, das im Forschungszentrum gebündelt ist.
Zwischen 2012 und 2024 veröffentlichten brasilianische Wissenschaftler*innen mehr peer-reviewte Fachartikel über Coffea canephora als Frankreich, Indonesien, die USA, Portugal, Italien, Indien und Mexiko zusammen. Von den insgesamt 554 Publikationen stammen 206 allein von der UFES – der Universidade Federal do Espírito Santo.
Die Ausweitung des Coffea canephora-Anbaus über Espírito Santo hinaus wurde in Brasilien durch eine enge Zusammenarbeit zwischen öffentlichen Institutionen, Forschungseinrichtungen und privaten Akteur*innen ermöglicht.
Durch die Entwicklung und Einführung regionsspezifischer Klone gelang es dem Land, die Kaffeeproduktion erfolgreich an die unterschiedlichen klimatischen Bedingungen in Bahia, Rondônia und Acre anzupassen.
Brasilien verfügt über die weltweit höchste Anzahl an registrierten geografischen Herkunftsangaben (GIs) für Kaffee – darunter exklusive Coffea canephora-GIs in Espírito Santo, Bahia und Rondônia.
Brasilianische Forscher*innen haben Technologien entwickelt, um diese Herkunftsangaben zu regulieren, und damit starke Mechanismen zum Schutz der Canephora-Herkünfte etabliert.
Im Jahr 2018 öffnete die Brazil Specialty Coffee Association (BSCA) ihre Mitgliedschaft auch für Coffea canephora (Conilon)-Produzent*innen und rief den jährlichen Canephora Cup of Excellence ins Leben.
Diese Initiative stellte einen bedeutenden Meilenstein dar, um die Qualität brasilianischer Conilon-Kaffees international anzuerkennen und zu fördern – insbesondere vor dem Hintergrund, dass C. canephora von der internationalen Dachorganisation der SCA nicht als Spezialitätenkaffee reguliert wird. Auch die Qualitätsstandards des CQI für Spezialitätenkaffee sind ausschließlich auf Arabica ausgelegt, wodurch C. canephora bislang weitgehend ausgeschlossen bleibt.
Robusta bezeichnet eine dominierende Gruppe innerhalb der Coffea canephora, die erstmals im Kongobecken identifiziert und durch die koloniale Landwirtschaft verbreitet wurde. Heute dient der Begriff häufig als Sammelbezeichnung für die gesamte Art.
In Asien ist das moderne Robusta oft ein Hybrid, der durch Züchtung auf Ertrag und Widerstandsfähigkeit geprägt wurde – ein Großteil davon entstand in kolonialen Zuchtzentren vor 1920.
In Brasilien erzählt Conilon eine parallele Geschichte: genetisch mit zentralafrikanischen Ursprüngen verbunden, jedoch kulturell eigenständig und lokal angepasst. Seine Entwicklung verlief unabhängig von Robusta und prägte eine ganz eigene Identität.
Gestützt auf starke Forschung und Entwicklung sowie einen wachsenden Marktanteil, verändert Brasilien derzeit grundlegend, wie die Welt Coffea canephora versteht und wertschätzt.
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