Pacas und Pacamara: El Salvadors Erbe lebt

Von einer spontanen Mutation zur Ikone: Pacas

Die Geschichte beginnt in El Salvador. 1949 entdeckte die Familie Pacas auf ihrer Farm in der Region Santa Ana eine auffällig kompakt wachsende Bourbon-Pflanze. Diese spontane Mutation (ein „Zwergwuchs“-Merkmal, das durch ein einzelnes Gen verursacht wird) erlaubte engere Pflanzabstände, erleichterte die Pflege und steigerte so die Flächenerträge, ohne die für Bourbon typische Tassenqualität grundsätzlich zu verlieren. In den 1950er/60er Jahren nahm das salvadorianische Forschungsinstitut ISIC (Instituto Salvadoreño de Investigaciones del Café) die Varietät in ein Selektionsprogramm auf und trug damit maßgeblich zu ihrer Verbreitung in El Salvador (und später ganz Zentralamerika) bei. Pacas wurde zu einer tragenden Säule vieler Farmen, nicht zuletzt, weil sie Qualität und Produktivität in einer gut bewirtschaftbaren, kompakten Pflanze vereinte.

Café Pacas in Apaneca Ilamatepec, El Selvador
Finca La Esperanza von Café Pacas in Apaneca Ilamatepec, El Salvador

„Riese“ trifft auf „Kompakt“: Pacamara

Aus der Praxis und Forschung entstand bald der Wunsch, die Vorzüge zweier gegensätzlicher Eltern zu verbinden:

Pacas (Bourbon-Mutation): kompakt, ertragreich, an lokale Bedingungen gut anpassbar.

Maragogipe (Typica-Mutation aus Brasilien): sehr große Bohnen, markante Morphologie, beachtliches Cup-Potenzial – aber geringe Erträge.

1958 startete das ISIC ein Hybridisierungsprogramm. Durch gezielte Kreuzungen und mehrstufige Auslese (unvollständige Pedigree-Selektion) entstand Pacamara, benannt aus den ersten Silben der Eltern PACAs und MARAgogipe. Nach rund drei Jahrzehnten Prüfungen wurde die Varietät in den späten 1970ern/1980ern schrittweise an Produzenten abgegeben. Seitdem gilt sie als Aushängeschild salvadorianischer Züchtungsarbeit. Wesentlich war dabei die Kombination aus Pacas’ Produktivität und Anpassungsfähigkeit mit der Bohnengröße und sensorischen Finesse von Maragogipe.

Varietätenkatalog des World Coffee Research, Pacas und Pacamara markiert in rot.

Agronomische und sensorische Profile im Überblick

Pacas zeigt die für Bourbon-Derivate typische Balance: mittlere bis gute Qualität, in höheren Lagen mit klarer, süßer Säure und runder Textur. Die kompakte Wuchsform ermöglicht eine dichtere Bepflanzung und effizientere Feldarbeit – ein Vorteil, der Pacas im kleinbäuerlichen Kontext beliebt machte.

Pacamara ist agronomisch anspruchsvoller (u. a. geringere Erträge, Segregationstendenzen, Höhenpräferenz), kann in hohen Lagen aber außergewöhnliche Qualitäten zeigen: große, ölreiche Bohnen mit ausgesprochen komplexer Aromatik, üppigem Körper und oft tropisch-fruchtigen bis floralen Noten. Genau dieses Zusammenspiel machte Pacamara zur Wettbewerbsvarietät par excellence.

Pacas honey, produziert von Café L’Etranger in El Salvador (Lot #00148 Colibrí) und Pacamara honey, produziert von Café Pacas in El Salvador (Lot #00143 Tita Toni)

Pacas #00148 ColibríPacamara #00143 Tita Toni

Wettbewerbserfolge und internationale Wahrnehmung

Pacamara dominiert seit Jahren viele salvadorianische Qualitätswettbewerbe und erzielte wiederholt Spitzenplätze bei der Cup of Excellence. Auch 2024 gewann ein Pacamara aus Chalatenango die El-Salvador-COE (Score 92,00) – ein aktuelles Beispiel für den anhaltenden Ruf der Varietät in der Spitzenliga. Offizielle Stellen in El Salvador würdigen Pacamara inzwischen mit einem landesweiten Ehrentag und verweisen auf zahlreiche internationale Titel.

Cup of Excellence El Salvador 2024 Winner lot angeboten von Gabee Coffee in den USA

Die Marke Café Pacas heute

Café Pacas bleibt bis heute eine prägende Kraft in der salvadorianischen Kaffeewelt – eine Familie, deren Name längst Synonym für Qualität und Innovation geworden ist. Ihre Fincas, darunter Santa Petrona und La Esperanza, sind lebendige Beispiele einer modernen, nachhaltig geführten Landwirtschaft, die auf tief verwurzelter Tradition beruht. Durch den Übergang von Fincas Finest in cumpa besteht zudem eine persönliche und langfristige Verbindung zu Christine, die heute im cumpa-Team tätig ist und über viele Jahre hinweg mit der Familie Pacas zusammenarbeitete.

Doch Pacas und Pacamara sind längst keine rein salvadorianischen Varietäten mehr. Sie haben sich über Grenzen hinweg verbreitet – von Honduras und Nicaragua bis nach Kolumbien und Peru, wo einzelne Produzent*innen heute ebenfalls auf diese genetische Linie setzen. Gerade in der aktuellen Saison bietet sich eine hervorragende Gelegenheit, Pacas und Pacamara in verschiedenen Ursprüngen zu verkosten oder sogar eine kleine Kollektion in das eigene Portfolio aufzunehmen – eine sensorische Reise durch die Vielfalt einer genetischen Familie, die den Specialty Coffee maßgeblich geprägt hat.

Wie Pacas und Pacamara die Welt eroberten und was sie heute bedeuten

Was als lokale Mutation begann, wurde dank systematischer Forschung, genetischer Selektion und dem Pioniergeist salvadorianischer Produzent*innen zu einem globalen Stilmittel im Specialty-Bereich: Pacas schuf als zuverlässige, kompakte Basis den agronomischen Rahmen, Pacamara setzte die sensorische Signatur obendrauf. Mit dem Aufstieg von Herkunftswettbewerben, Auktionen und „Variety Storytelling“ fanden beide Varietäten ihren Weg zu Röstereien und Konsument*innen weltweit. Heute steht Pacamara international für ausdrucksstarke, häufig preisgekrönte Lots aus Hochlagen – ein Synonym für Charakter, Größe (der Bohnen) und Komplexität. Pacas bleibt zugleich ein stiller Motor auf vielen Farmen, der Wirtschaftlichkeit und Qualität in Einklang bringt. Gemeinsam verkörpern sie die Stärke der mittelamerikanischen Züchtungstradition: lokal entstanden, wissenschaftlich geschärft, global geschätzt.


Quellen

» Mehr lesen

Alliance for Coffee Excellence. (2024). El Salvador 2024. https://allianceforcoffeeexcellence.org/el-salvador-2024/

Gabee Coffee. (n.d.). El Salvador Cup of Excellence 2024 winner (Score 92). https://gabeecoffee.com/products/el-salvador-cup-of-excellence-2024-winner-score-92

Nuevo Instituto Salvadoreño del Café. (2024, March 22). Día Nacional del Pacamara. https://www.isc.gob.sv/dia-nacional-del-pacamara/

Sweet Maria’s Coffee Library. (2020, August). Exploring distinctive characteristics & virtues of coffee varieties: The Bourbon & Pacamara case [PDF]. https://library.sweetmarias.com/wp-content/uploads/2020/08/Exploring-Distinctive-Characteristics-Virtues-of-Coffee-Varieties-The-Bourbon-Pacamara-Case.pdf

World Coffee Research. (n.d.). Maragogipe. https://varieties.worldcoffeeresearch.org/varieties/maragogipe (abgerufen am heutigen Datum).

World Coffee Research. (n.d.). Pacamara. https://varieties.worldcoffeeresearch.org/varieties/pacamara (abgerufen am heutigen Datum).

World Coffee Research. (n.d.). Pacas. https://varieties.worldcoffeeresearch.org/varieties/pacas (abgerufen am heutigen Datum).


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Lukas Harbig
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