CVA-Gate und die Zukunft von C. Canephora

CVA-Gate und die Zukunft von C. Canephora: Zwischen Bedrohung und Befreiung

Die Welt des Specialty Coffee erlebt einen tiefgreifenden Wandel. Im Zentrum der Diskussion steht „CVA-Gate“ – die kontrovers diskutierte Integration des Coffee Quality Institute (CQI) und seiner Programme in das neue Bewertungssystem der Specialty Coffee Association (SCA), das Coffee Value Assessment (CVA). Was auf den ersten Blick wie eine technische Änderung erscheint, hat tiefgreifende Auswirkungen – insbesondere für weniger prominente Kaffeespezies wie Coffea canephora, auch bekannt als Robusta.

Ein schlechter Zeitpunkt für Unsicherheit

Der Kaffeemarkt ist derzeit durch zahlreiche Herausforderungen geprägt: steigende Preise, Auswirkungen der Klimakrise, unklare Anforderungen der EUDR (EU-Verordnung gegen Entwaldung), wachsende Zölle und ein zunehmender Druck auf Produzent*innen. Inmitten dieser Turbulenzen wirkt die Einführung des CVA-Systems weniger wie eine Lösung, sondern mehr wie eine zusätzliche Belastung – vor allem, wenn sie ohne umfassende Schulung oder Mitgestaltung erfolgt. Produzent*innen brauchen jetzt vor allem Stabilität und Unterstützung, keine weitere Unsicherheit.

Mr Toi trägt Canephorum Tshirt

Was ist CVA und warum ist es relevant?

Das Coffee Value Assessment ersetzt die bisherigen Q-Zertifizierungen und führt ein neues, umfassenderes Bewertungsprotokoll ein, das neben sensorischen Aspekten auch soziale, ökologische und narrative Elemente in die Bewertung einbezieht.

Das Ziel: eine gerechtere Bewertung von Kaffees über alle Spezies hinweg.

Die Risiken: Vermischung objektiver Verkostung mit externen Labels kann Grundprinzipien des Blind Cuppings untergraben.

Die Ambivalenz des Wandels

Jeder Wandel bringt Chancen und Herausforderungen. Für viele erscheint CVA als Möglichkeit, mehr Diversität in die Welt des Specialty Coffee zu bringen – insbesondere durch die Öffnung des „Specialty“-Begriffs auch für Coffea-Spezies jenseits von Arabica. Doch gleichzeitig besteht die Gefahr, dass CVA alte Asymmetrien zementiert oder sogar neue schafft: etwa durch die Bevorzugung bestimmter Zertifizierungen oder die strukturelle Benachteiligung von Produzent*innen, die keinen Zugang zu Bildungsangeboten oder Märkten haben.

CVA und die Arabica-Zentrierung

Obwohl CVA theoretisch den Weg für eine gleichwertige Bewertung aller Kaffeesorten ebnet, steht die Gefahr im Raum, dass es Arabica-Standards zum Maßstab für alle macht. Die Ursprünge des neuen Systems liegen in einer Community, die historisch stark auf Arabica fokussiert ist – den USA. Damit besteht das Risiko, dass die kulturelle und geschmackliche Diversität anderer Spezies marginalisiert wird.

Zwei-Klassen-Markt durch Bildungslücke

Ein zentrales Problem in der Übergangsphase ist der ungleiche Zugang zu Bildung: Käufer*innen, die über CVA geschult sind, stehen Produzent*innen gegenüber, die mit dem neuen System kaum vertraut sind. Besonders betroffen sind Kleinfarmer*innen in abgelegenen oder konfliktreichen Regionen. Früher wurde Bildung rund um Q-Zertifizierungen von Institutionen wie USAID unterstützt, diese Förderung fällt nun weg. Der Effekt: Die Schwächsten in der Wertschöpfungskette werden am stärksten getroffen.

Was bedeutet CVA-Gate für Specialty Canephora?

Für C. Canephora, oft als Robusta abgestempelt und lange Zeit aus der Specialty-Welt ausgeschlossen, bedeutet CVA sowohl Verlust als auch Chance. Mit dem Ende der dedizierten Canephora-Ausbildungspfade wie der „Q Robusta Grader“-Zertifizierung fällt eine wichtige Infrastruktur für Qualitätssicherung und -entwicklung weg. Doch gleichzeitig entsteht Raum für eine neue Erzählung: Specialty Canephora kann sich nun unabhängig von Arabica-Vergleichen als eigenständiger Standard etablieren, mit eigener Identität, sensorischem Profil und kulturellem Selbstverständnis.

Eine Chance für echten Wandel

Trotz berechtigter Kritik liegt in CVA auch eine einzigartige Gelegenheit, die Struktur der Specialty Coffee-Welt neu zu denken. Der Moment könnte genutzt werden, um ein dezentralisiertes, inklusives Modell zu schaffen – eines, das alle Coffea-Spezies berücksichtigt, Diversität fördert und Innovation ermöglicht. Doch das erfordert aktive Mitgestaltung von der gesamten Community: Produzent*innen, Röster*innen, Einkäufer*innen und Organisationen.

Von der Randfigur zum Leuchtturm

Canephora hat über Jahrzehnte im Schatten von Arabica gestanden. Mit CVA erhält es die Chance, ins Rampenlicht zu treten – nicht als billiger Füllstoff oder zweite Wahl, sondern als gleichwertiger, eigenständiger Spezialitätenkaffee. Mit robusten Eigenschaften gegenüber Klimastress, vielfältigen Aromen und kultureller Tiefe kann Specialty Canephora ein zukunftsfähiges Modell für andere Arten liefern, die Specialty-Status anstreben.

Fazit: CVA-Gate als Weckruf

CVA-Gate ist mehr als eine technokratische Debatte über Bewertungsformulare. Es ist ein Weckruf für die Specialty Coffee Community, die Strukturen von Macht, Zugang und Repräsentation kritisch zu hinterfragen. Wenn die Branche den Moment nutzt, um Vielfalt, Fairness und echte Teilhabe zu fördern, könnte aus der Krise ein echter Fortschritt entstehen – für C. canephora und darüber hinaus.

Quellen

» Mehr lesen

Specialty Coffee Association. (2025, April 22). The Specialty Coffee Association and the Coffee Quality Institute announce historic partnership to provide better support and education to the coffee industry. Specialty Coffee Association. https://sca.coffee/sca-news/2025/4/22/the-specialty-coffee-association-and-the-coffee-quality-institute-announce-historic-partnership-to-provide-better-support-and-education-to-the-coffee-industrynbsp

Specialty Coffee Association. (2024, June 28). Cup of Excellence and Alliance for Coffee Excellence form groundbreaking partnership with Specialty Coffee Association. https://sca.coffee/sca-news/cup-of-excellence-and-alliance-for-coffee-excellence-form-groundbreaking-partnership-with-specialty-coffee-association

Daily Coffee News. (2017, September 26). SCA and World Coffee Research partner for International Coffee Day campaign. Daily Coffee News by Roast Magazine.

https://dailycoffeenews.com/2017/09/26/sca-and-world-coffee-research-partner-for-international-coffee-day-campaign/

Jaffee, D. (2012, Spring). The problem with fair trade coffee. Stanford Social Innovation Review. https://ssir.org/articles/entry/the_problem_with_fair_trade_coffee

Michels, R. (1915). Political parties: A sociological study of the oligarchical tendencies of modern democracy (E. Paul & C. Paul, Trans.). Hearst’s International Library Company. (Original work published 1911)

photo: BMP Farmers

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